Gendern ja, aber bitte klassisch

Ein großes Ausrufezeichen reicht nicht. Erst ein richtig formulierter Jobtitel macht die Stellenanzeige attraktiv. Gendern in Stellenanzeigen muss sein, aber am liebsten in der klassischen Form und nicht mit Gender-Sternchen. Besonders attraktiv wirken Jobinserate, in denen zusätzlich die Unternehmenswerte erläutert werden. Das ergab eine Befragung junger Erwachsener an der Hochschule Darmstadt.

 

Gendersternchen sind im Trend. Eine Ansprache, die alle Geschlechter integriert, ist auch wichtig und richtig. Das gilt nicht nur für Stellenanzeigen. Doch gerade in Jobinseraten können Formulierungen, die Frauen und andere Identitäten ausgrenzen, erhebliche Konsequenzen für Arbeitgeber nach sich ziehen.

 

Kaum noch eine Stellenanzeige wird ohne gendergerechte Betitelung veröffentlicht. Aber welche Formulierung kommt am besten bei der jeweiligen Zielgruppe an? Die männliche Schreibweise mit angefügtem "(m/w/d)", ein Jobtitel mit angehängtem "Y", das Gendersternchen oder die explizite Nennung der männlichen und weiblichen Form? Welche Rolle spielen dabei andere Faktoren wie das ausschreibende Unternehmen, die Stellenbeschreibung, die Nennung von Benefits oder ein sogenannter Diversity Disclaimer – die Zusatzerläuterung der entsprechenden Unternehmenswerte?

 

Untersuchung nach der Tinder-Methode: Welche Stellenanzeige ist attraktiver?

Diesen Fragen ist ein studentisches Forschungsprojekt unter der Leitung von Professor Ingo Hamm nachgegangen. Mit experimentell erzeugten Stellenanzeigen untersuchten die Studierenden, welche dieser Varianten besser abschneiden. Um auszuschließen, dass die Befragten bei diesem Thema sozial erwünschte Antworten geben, haben sie sich den "verborgenen" Wirkfaktoren mit einem indirekten statistischen Verfahren genähert, dem Conjonit Measurement.

 

Hierbei sollen die Befragten aus jeweils zwei Stellenanzeigen die attraktive Version auswählen – ähnlich wie beim Datingportal Tinder. Die Stellenanzeigen wurden von der Erhebungssoftware künstlich erstellt, auf Basis der in Frage kommenden Wirkfaktoren. Insgesamt wurden in 130 Interviews mit jungen Erwachsenden knapp 1.000 Paarvergleiche beispielhafter Stellenanzeigen erhoben.

 

Was die Stellenanzeige attraktiv macht

Wie erwartet, hat ein gendergerechter Jobtitel in einer Stellenanzeige den größten Effekt auf die Attraktivität der Anzeige. Die Nutzung des generischen Maskulinums ("Wirtschaftspsychologe") im Jobtitel führt zu einer deutlichen Abwertung. Aber auch eine neuartige und wenig gebräuchliche Schreibweise wie „WirtschaftspsychologY gesucht“ führt zu einem negativen Gesamteindruck. Die positivste Wirkung erzielt immer noch eindeutig die mittlerweile etablierte Schreibweise "Wirtschaftspsychologe (m/w/d)".

 

Überraschend ist das Ergebnis, dass das mittlerweile verbreitete Gendersternchen ("Wirtschaftspsycholog*in") zwar eine positive Wirkung entfaltet, aber mit erkennbarem Abstand zur klassischen m/w/d-Schreibweise. Die explizite Nennung der männlichen und weiblichen Schreibweise ("Wirtschaftspsychologe oder Wirtschaftspsychologin") punktet noch etwas schwächer.

 

Diversity Disclaimer als Beleg guter Absichten

Einen hohen Einfluss auf die Gesamtwahrnehmung der Stellenanzeige hat ein Diversity Disclaimer. Vor allem Angaben zu Themen wie Persönlichkeitsentfaltung und Equal Pay sind laut Studie wichtige Mittel, um die Bemühungen der Unternehmen zu untermauern. Ein gendergerechter Jobtitel allein reicht offenbar als Beleg einer ernstgemeinten Diversity nicht aus.

 

Spannendes Nebendetail: In der Untersuchung wurde auch ein Diversity Disclaimer eingebaut, der explizit die Integration von Menschen mit Behinderung anspricht. Dieser führte jedoch zu einem klaren negativen Effekt auf die Gesamtwahrnehmung der Stellenanzeige. Die Studienautoren folgern daraus, dass schwierige und persönlich wenig vertraute Themen eher zu einer Verunsicherung bei den Rezipienten und somit zu einer Abwertung der Stellenanzeige führen.

 

Fazit: Gendern allein reicht nicht

Die Studie untersuchte auch verschiedene Kombinationen von Unternehmensnamen, Benefit-Angaben und Diversity Disclaimern. Hierbei zeigte sich, dass allein Veränderungen im Diversity Disclaimer durch die explizite Auslobung von "Equal Pay" die Attraktivität der Stellenanzeige enorm steigern kann.

 

Weitere Studienergebnisse: Einen hohen Wirkeffekt zeigten die in den Stellenanzeigen genannten Benefits. Geringe Effekte ergaben sich dagegen bei den Stellenbeschreibungen.

 

Zusammengefasst lässt sich aus den Untersuchungsergebnissen folgern: Gendern allein reicht nicht, damit eine Stellenanzeige als attraktiv wahrgenommen wird. Vielmehr kommt es auf die Details der Schreibweise an, die sich am besten an altbekannte Standards richten sollte – zum vollständigen Artikel

Quelle: www.haufe.de | Haufe  Online Redaktion | Bild: Canva